Donnerstag, 18. September 2014

Alpenüberquerung: Die verflixte sechste Etappe

24. August: Die sechste Etappe (Verpeilhütte - Kaunergrathütte)

Schnee! Als wir zum Frühstück in den Gastraum kamen, schneite es draußen vor sich hin. Der Wetterbericht behielt also Recht. Doch laut Vorhersage, sollte sich das Wetter ab 11 Uhr bessern. Da die Sicht echt bescheiden war, entschieden wir uns zusammen mit Herbert und Leon erst am Vormittag aufzubrechen. Die Etappe war mit 4-5 Stunden Gehzeit angegeben und ermöglichte uns also auch einen späteren Start ohne in Zeitnot zu gelangen. Viel mehr Sorgen machten uns die Schwierigkeiten der heutigen Etappe. Ziel war die Überquerung des Aperen Madatschjoch, welche klettersteigähnliche Passagen beinhaltete, sprich es sollte über Eisenleitern, Trittbügel, Stahlseilversicherungen gehen und vorher musste man noch Geröllfelder und Altschneefelder queren. Aus technischer Sicht stand uns heute also die schwierigste Etappe der Tour bevor. Da passte das Wetter mal überhaupt nicht dazu. In unserem Führer wurde zudem nahe gelegt, diese Etappe nur bei schönem Wetter in Angriff zu nehmen. Wir wollten jedoch auf jeden Fall einen Versuch starten, um zumindest die Bedingungen am Joch auszukundschaften. Falls wir uns gegen eine Überschreitung entscheiden sollten, war zumindest die Wettervorhersage für den morgigen Tag um einiges besser. Auf lange Sicht würde uns das schlechte Wetter dann aber spätestens auf der Etappe von der Braunschweiger Hütte nach Vent über das Pitztaler Jöchl wieder in die Quere kommen. Während wir in der Gaststube auf besseres Wetter warteten, konnten wir die ersten Gruppen beobachten, wie sie den Anstieg zum Madatschjoch in 3000m Höhe in Angriff nahmen, doch schon nach wenigen Metern verschwanden die Leute im dichten Schneegestöber.
Ich saß während der Wartezeit über meinen Karten und arbeitete an einem Plan-B, der uns über das Verpeil-Joch ins Pitztal bringen sollte. Doch ein Gast der Verpeilhütte konnte uns davon nur abraten, da er diese Tour gestern gegangen sei und es extrem rutschig und gefährlich gewesen war. Das Warten und das ständige Hin und Her zwischen „Ach so schlimm wird es dort oben nicht sein, das schaffen wir heute schon“ und „Bei dem Wetter sollten wir die Etappe lieber morgen angehen“ nagte ganz schön am Nervenkostüm und war unerträglich. Ich vertiefte mich weiter in meine Karten und versuchte mir die heutige Route exakt einzuprägen, um mich etwas von den Gesprächen der anderen abzulenken.
Gegen 10 Uhr schien sich das Wetter zu bessern. Der Schneefall hatte aufgehört und zwischen den Wolkenfetzen war immer wieder kurz der blaue Himmel zu sehen. Eine halbe Stunde später standen wir alle abmarschbereit vor der Hütte. Wir folgten dem südlichen Weg Richtung Madatschkopf und nach dem wir den nahen Verpeilbach überquerten, waren wir auch schon im Anstieg, der uns mit ca. 1000Hm zum Aperen Madatschjoch bringen würde. Wir waren noch keine 10 Minuten unterwegs, als der Schneefall wieder einsetzte. Im Gänsemarsch schlängelten wir uns still schweigend den Weg hinauf. Doch plötzlich zuckte Rico vor mir zusammen und hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht seinen Oberschenkel. Er schien einen Krampf zu haben und wir hielten alle inne. Herbert und Leon halfen mit Magnesiumtabletten aus, während wir versuchten den Krampf durch Dehnen zu lockern. Doch es wollte einfach nicht besser werden. Da wir die Beiden nicht weiter aufhalten wollten, schickten wir sie voraus, falls wir es nachkommen würden, sieht man sich ja wieder auf der Kaunergrathütte. Doch Rico konnte auch nach längerer Pause nicht weiter und so entschieden wir uns, zur Verpeilhütte zurück zu kehren. Nur langsam und mit vielen Unterbrechungen meisterten wir den Abstieg und erreichten eine Stunde später wieder die Hütte. Zum Glück waren für heute Abend nur wenig Gäste angekündigt und wir konnten unsere Lager wieder beziehen. Wir stärkten uns erstmal mit einer köstlichen Knödelsuppe im warmen Gastraum. Doch schon bald trafen die ganzen Sonntagsausflügler, teilweise ganze Großfamilien, auf der Hütte ein und es ging ganz schön wild her. Uns wurde das zu viel und wir zogen uns in das Lager zurück. Mittlerweile hatte sich das schöne Wetter durchgesetzt und während Rico sich ausruhte, nutze ich die Möglichkeit mit seiner Kamera auf Fotosafari zu gehen. Ich stieg nochmals den selben Weg auf und konnte dabei einige fantastische Bilder schießen.


Die Kulisse rund um die Verpeilhütte ist einfach traumhaft.

Wieder zurück auf der Hütte genossen wir das herrliche Wetter und die tolle Umgebung draußen bei einem Stück frischem Schoko-Kirsch Kuchen. Gegen Abend leerte sich die Hütte und es blieb nur eine Hand voll Übernachtungsgäste übrig. Es wurde der gemütlichste Hüttenabend der ganzen Tour. Wir hatten wie immer viel zu lachen, doch immer wieder zuckte Rico vor Schmerzen zusammen. Vom Hüttenteam bekam Rico sogar noch Franzbranntwein zum Behandeln seiner Krämpfe. Vom Gastraum aus beobachteten wir, wie die untergehende Sonne die Gipfel rund um die Verpeilhütte zum glühen brachte. Der Abend wurde lang und erst zur Hüttenruhe begaben wir uns ins Lager zum Schlafen.

Die untergehende Sonne ließ die Felsen erleuchten.


Am Morgen wurde unsere Hoffnung auf eine Fortsetzung der Tour jäh zerbrochen. Selbst die Treppe vom Schlafraum zur Gaststube bereitete Rico Probleme und so mussten wir uns nach dem Frühstück beim Hüttenteam verabschieden und nahmen den Fahrweg hinunter nach Feichten ins Kaunertal. Dort erwischten wir prompt einen Postbus, der uns zum Bahnhof nach Landeck brachte. Hier trennten sich dann unsere Wege. Während ich den Zug Richtung Bodensee nahm, um in Oberstdorf mein Auto zu holen und noch ein paar Tage im Allgäu zu verbringen, war Rico unterwegs Richtung München, um von dort weiter nach Leipzig zu kommen.

Total unerwartet hieß es dann Abschied nehmen.


Nun saß ich also total unerwartet im Zug nach Bregenz. Das Bergpanorama, welches uns in den letzten Tagen so häufig verwehrt wurde, zog draußen an mir vorbei. Die letzten Stunden waren wie im Flug vergangen und so richtig hatte ich noch nicht realisiert, dass es jetzt schon zu Ende sein sollte. Herausgerissen aus einem Traum und zurück ins wahre Leben katapultiert. Seit 6 Tagen waren wir jetzt schon gemeinsam in den Alpen unterwegs und auf einen Schlag, saß man im Zug nach Hause. Genauso plötzlich kam dann der Schlaf. Es machte sich bemerkbar, dass ich den letzten Nächten kaum geschlafen hatte und obwohl der Zug nicht annähernd so bequem war wie die Betten der letzten Tage, schlief ich schneller ein als gedacht.
Später sollte sich herausstellen, dass es keine Krämpfe waren die Rico und mich zum Aufgeben gezwungen hatten, sondern Rico sich einen Muskelfaserriss zugezogen hatte. Trotzdem haben wir uns schon fest vorgenommen unsere Alpenüberquerung in den nächsten Jahren fortzusetzen. Dann soll es von Bozen aus bis zur Verpeilhütte gehen, um die Tour dort abzuschließen wo wir dieses Jahr aufgeben mussten.



In diesem Sinne

Keep on walking!

Fabian
Extra Bilder gibt es wie immer hier.


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